Von anderen fordern ja – mit anderen teilen nein!

Exportweltmeister, übervolle Auftragsbücher, kaum Zinsen für Investitions-Kredite, so wenig „Arbeitslose“ wie nie: Die Politik bemüht sich nach Kräften, sich selbst einen ordentlichen Anteil an diesem Erfolg des Augenblicks und bis dahin zuzuschreiben. Die Vorderseite des Spiegels.

Die Rückseite des Spiegels: Wenn da nicht sowohl bei Herstellern als auch beim Gewerbe und bei Dienstleistern der Fachkräftemangel wäre und damit die Gefahr, Aufträge nicht oder nicht zeitgerecht erfüllen zu können. Der Verlust von Geschäftsbeziehungen und Marktanteilen droht und damit das Schlimmste, wovor sich Geschäftsführer fürchten.

Einmal abgesehen von einigen Warnern ohne Deutungshoheit – wer schreibt sich jetzt diese Situation, die Rückseite des Spiegels, zu? Die Politik? Niemals! Das Unternehmertum? An ihnen kann es nicht liegen, schließlich hat man ja bereits den Beweis der eigenen Tüchtigkeit erbracht, siehe frühere Geschäftergebnisse! Wer denn? Niemand! Motto: Wir schaffen das. Was einst der Ausdruck von Selbstbewusstsein und echter Kenntnis eigener Tugenden, Stärken und Fähigkeiten galt, ist heute inhaltloser Mehltau, der über Probleme gelegt wird. Fertig.

Jetzt, wo die Staatskasse (und nicht nur die!) mehr als prall voll ist und sich die Hüter der Kasse feiern lassen, melden auch die einen ordentlichen Schluck aus der Pulle an, die es gar nicht nötig haben. Der Überschuss weckt halt Begehrlichkeiten von allen, nicht nur von wirklich Bedürftigen, die auf eine Aufbesserung und Entlastung ihrer finanziellen Situation angewiesen sind.

Es melden sich auch die, die dazu verpflichtet waren und sind, Rücklagen für Reparaturen und Ersatzbeschaffung zu bilden: die Kommunen, Kreise und Länder. Wenn heute Schulen, Kanalisation, Straßen und Brücken marode sind, dann nimmt die überschuldete Kommune halt einen Kassenkredit auf. Fertig. Das Geld, das sie hätte zurücklegen müssen, ist Jahr für Jahr und über Jahrzehnte von Politikern ausgegeben worden. Man hat Wahlversprechen eingelöst. So verstand man Politik und versteht sie immer noch so. Mit Geld zurücklegen für die spätere Sanierung von Schulen und Straßen fängt man keine Wählerstimmen – der Politiker, der das im Programm hatte und hat, wird bei der Wahl abgestraft.

In Unternehmen sieht es nicht anders aus. Am Überschuss bedienen sich zunächst die, die sich den Erfolg zuschreiben – die Chefetage. Auch wenn man den Erfolg zu mehr als der Hälfte den niedrigen Zinsen und Energiekosten zu verdanken hat. Abschreibungen haben den Sinn, dass Einsparungen in Rücklagen für Ersatzbeschaffungen angelegt werden. Das wird mehrheitlich nicht gemacht. Man wartet lieber auf einen günstigen Augenblick, über Förderprogramme Geld geschenkt zu bekommen.

Es gibt Förderprogramme, deren Zweck, Fördersumme und Förderkriterien vor Veröffentlichung von Lobbyisten der Konzerne in nicht öffentlicher Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen festgelegt wurden. Das sind Gelder für Investitionen und für Forschung und Entwicklung, die die Konzerne selbst hätten zurücklegen müssen. Tun sie nicht, brauchen sie auch nicht. Lieber den Gewinn als Dividende an die Anteilseigner ausschütten. Das lässt die Eigner lächeln und der Vorstand darf sich selbst einen üppigen Bonus gönnen.

Hinzu kommt, dass mehrheitlich die Kriterien für die Bewilligung der Förderung so abgefasst sind, dass sie nur von Konzernen und den ganz großen Forschungsgesellschaften erfüllt werden können. Und dann wundern sich stattliche Institutionen und auch die der EU, dass Fördergelder nicht beansprucht werden. Kein Wunder, denn der Mittelständler ist selten in der Lage, den Förderantrag fach- und sachgerecht und rechtzeitig auszufüllen.

Die Bedürftigsten – die kleinen Unternehmen, um die sich ja die Fördertopf-Einrichter am meisten „sorgen“ – werden von dem, was sie nötig haben, so gut wie ausgeschlossen. Für aktive Hilfestellungen von außen für die Beantragung von Förderungen gibt es keine finanzielle Unterstützung. Kein Wunder, dass Förderungen nicht in Anspruch genommen werden. Nicht abgerufene Fördergelder machen inzwischen ein Volumen in Höhe des gesamten Jahreshaushaltes der EU aus. Kommentar dazu seitens der Institutionen, die Förderungen ausrufen und verwalten: „Wir sind enttäuscht, dass unsere Hilfe nicht in Anspruch genommen wird.“ Kein Wunder, denn man weiß dort nicht, wann und womit Hilfe beginnen muss.

IHKs und wirklich mitdenkende und mitmachende Verwalter von Fördertöpfen als Ausnahme – es gibt kaum Institutionen mit wirklich tüchtigen Förderlotsen, die in der Lage wären, den bedürftigen Unternehmer an die Hand zu nehmen und ihm dabei zu helfen, im riesigen Förder-Dschungel den passenden Fördertopf zu finden und dann das Wichtigste zu tun: mit Aussicht auf Erfolg auch zu beantragen.

Stattdessen Suchmaschinen und Unmengen von bis ins aberwitzige Detail gehende Checklisten und Richtlinien, die sicherstellen, dass sich der Bedürftige nicht mit dem Fördergeber unterhält. Man will sich Schwatzbasen vom Hals halten, was ich verstehen kann. Was ich nicht verstehen kann: Fördertopf-Verwalter, die Seminare und Vorträge vor an Förderungen interessierten Unternehmen in Englischer Sprache abhalten – mitten in Deutschland vor Deutschem Publikum. Und das wohl auch deshalb, weil ein Mitarbeiter der EU anwesend ist, der seinerseits einen Vortrag in Englisch hält. Oder war es auch Absicht, sich über mit Fachbegriffen gespickten Vortrag in Englisch das bettelnde Fußvolk unter den nach Förderungen Suchenden vom Hals zu halten?

Wenn sich jetzt Empörung bei einigen Lesern breit machen sollte: Ich habe meine Erfahrung geschildert, und die ist umfangreich.

An den nach Hilfestellung für seine Existenzfähigkeit Suchenden: nicht verzweifeln – halten Sie es wie der besonnene und kluge Rollstuhlfahrer – der verzweifelt nicht an jeder Bordsteinkante (Regel/System) sondern sucht nach dem Weg, den er bequem befahren kann – die nächste Bordsteinabsenkung (die Ausnahme). Man kann dabei auf nette Leute treffen.

Karl Dilly

www.management-kompetenzen.de

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