Soziale Mobilität im Alltag – ein verkanntes Problem?

Vielleicht von Jugendlichen abgesehen, die hier in meiner Heimat, der Vulkaneifel, individuell und kreativ und ohne Zeitdruck mobil sind: Im Alltag wird schnell klar, das die Erreichbarkeit von Geschäften, Behörden, schulischen Einrichtungen, Veranstaltungen, Freunden und Verwandten und örtlichen Attraktivitäten für einen beachtlichen Teil der Bevölkerung nicht oder nur eingeschränkt und mit unverhältnismäßig hohem Aufwand an Zeit und Kosten möglich ist. Die Optimierung der Mobilitäts-Möglichkeiten ganz allgemein und vor allem zwischen Stadt und Land und in ländlichen Regionen würde ein deutliches „mehr“ an Lebensqualität darstellen können. Immer wieder werden diesbezüglich Teil-Konzepte erarbeitet und in Ansätzen umgesetzt. Gemeinsam ist diesen Ideen, Plänen und Konzepten zumeist eines: Kostendruck bzw. die „Kostenneutralität“. Dieses Problem haben wir nicht nur in der Eifel, gerade hier aber erleben wir, was möglich ist, wenn die „Fakten“ Entscheidungen erfordern, die eine Abwägung, zumindest nach Nutzen-Kostenkriterien, gar nicht erst zu lassen. Ich meine konkret die derzeitige Situation der Eifelbahnstrecke, die durch die Flutkatastrophe im vergangenen Juli stark beschädigt wurde. Hinzu kamen Schäden an Fahrzeugen.  Um die Fahrzeuge einer Instandsetzung zuführen zu können, wurde ein Teilstück zwischen Kaisersesch und Gerolstein vorübergehend reaktiviert. Perspektive: Welchen Nutzen und welche Werte würden gewonnen, wenn die Reaktivierung von Dauer wäre und planbar und umfassend und zuverlässig genutzt werden könnte? In dem Zusammenhang könnte es durchaus interessant sein, ein Konzept zu erörtern, das seit geraumer Zeit in der Schublade meines Geschäftspartners Herrn Dilly „ruht“ – aber lesen Sie selbst, welche Ideen und Gedanken er zum Thema zusammengetragen hat:

1. IST-Situation: Soziale Mobilität im Alltag – was genau liegt jetzt vor?

Menschen im Umfeld der Städte und mehr noch auf dem Land finden kein öffentliches Mobilitätsmittel, um in die nächste größere Stadt zu kommen. Obwohl es den Menschen oftmals schwer fällt, sich ein Auto leisten zu können – sie sind auf das Auto angewiesen, um sich versorgen zu können (ADAC „Mobil auf dem Land“). Es gibt zu wenig „Soziale Mobilität“, zu wenig Mobilitätsmittel, die es jedem (jung/alt; arm/reich) ermöglichen, zu jeder Jahreszeit am Leben im näheren und weiteren Umfeld teilnehmen zu können. Die Jungen ziehen weg, Geschäfte und Gewerbe schließen, Ortschaften „vergreisen“.

2.1. Was war die Ursache für die IST-Situation?

Verkehrsminister Seebohm veranlasste 1956 die damalige DB dazu, sich von „unrentablen“ Strecken zu trennen. Das traf die so genannten Nebenstrecken der Bahn. Für sich betrachtet, erwirtschafteten Nebenstrecken nämlich keinen Gewinn, was sie auch gar nicht konnten. Sie führten den Hauptstrecken die Fahrgäste zu, ohne an den Einnahmen der Hauptstrecken beteiligt zu werden. Der Motorisierte Individualverkehr (MIV) war das von Politik gepriesene und von Automobilherstellern gerne zur Verfügung gestellte Mobilitätsmittel, auch für den Güterverkehr. Weil die Nutzung der Schiene Geld kostete und die Nutzung der Straße kostenlos war, verlagerten die Spediteure den Transport von der Schiene auf die Straße.

2.2. Welche Motive führten zur IST-Situation?

Das Auto für jeden und für alles. Das war seinerzeit synonym für Wohlstand. Die Städte mussten Auto fest werden. Unter den Auswirkungen wird man noch lange leiden: Die einen, die mit ihrem SUV nicht mehr bis in den letzten Winkel der Stadt vordringen können und die anderen, die kein Mobilitätsmittel mehr finden. Pendeln zwischen Land und Stadt wird teurer und teurer, das Leben in der Stadt auch. Das ist die mobile Zwickmühle. Die CO² -Belastung kommt hinzu. Aus Wohlstand wurde Notstand. Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindungen von München nach Berlin und Hamburg und Stuttgart und Frankfurt und Köln ändern daran nichts. Sie verschärfen den Mobilitätsnotstand an anderer Stelle.

3. Was SOLL zukünftig sein?

„SOZIALE MOBILITÄT“, d.h. die Möglichkeit für jeden (jung/alt; unvermögend/ vermögend; Mieter/Hausbesitzer) zu jeder Jahreszeit mobil sein zu können, sein Leben freier und auskömmlicher gestalten zu können und auch damit am Leben in seinem nahen und weiteren Umfeld teilnehmen zu können.

Mobilität für jeden – auf was legen wir WERT?

Funktionen und Werte …für die Bewertung des Projektes LEICHTBAHN und auch dessen Alternativen wie Regio-Bahn, Auto/MIV, Fahrrad, ……:

  1. jedem wird es zu jeder Jahreszeit möglich sein, am öffentlichen Leben teilzunehmen und sich zu versorgen,
  2. Orte und ihre Bewohner werden miteinander verbunden; das Leben wird wertvoller
  3. es werden kommunale und wirtschaftliche Kooperationen zwischen Ortschaften ermöglicht
  4. auf das oftmals kaum zu finanzierende Auto kann verzichten werden
  5. die Attraktivität des Ortes/der Gemeinde wird gesteigert, entscheidend für Ansiedlungen und Förderungen
  6. Jüngeren wird eine Perspektive geboten, an ihrem Heimatort bleiben zu können, weil sich Gewerbetreibende ansiedeln werden
  7. der Weg zur Schule wird kürzer und sicherer
  8. Touristen werden Orte mit deren oftmals versteckten Attraktivitäten besuchen können und sich vor Ort mit ländlichen Produkten versorgen
  9. Reisen in die Ferne  werden mit nur einem Umstieg möglich sein
  10. kommunale Pflicht zur Daseinsvorsorge wird von Verantwortlichen vor Ort erfolgreicher gestaltet werden können
  11. Bedarf an Kraftstoffen/ Elektrizität für die Mobilität wird minimiert
  12. die CO²-Belastung wird entscheidend verringert
  13. der ständig größer werdende Bedarf an zusätzlichen Straßen mit ihren enormen Bau- und Unterhaltskosten wird stark verringert

Als Ganzes betrachtet und gestaltet wird die LEICHTBAHN nur einen Teil dessen kosten, was uns der Werte-Verzicht von 1. bis 13. kosten wird:

4. Handlung/Vorgehen – wie kommen wir vom IST zum SOLL?:

  • Mit der LEICHTBAHN als das dem Zweck angemessenem Mobilitätsmittel…
  • zu ± 50% niedrigeren Kosten als der Bau/der Betrieb einer Bahn nach DB-Vorgaben oder Straßen für die Individuelle Mobilität (MIV);

Leitsatz für die LEICHTBAHN:

Für den Zweck/die Kriterien so viel Betriebsmittel wie nötig –  so wenig wie möglich (Strecke; Rollmaterial; Vorgaben; fixer und variabler Betriebsaufwand).

Vorgehen:

Mit Verantwortlichen im Land und vor Ort ein Beispiel (z.B. eine still gelegte Nebenstrecke, die reaktiviert werden kann) aufgreifen und parallel zur jetzigen Zweckbestimmung (siehe WERTE) und der entsprechenden Mobilitätsplanung (z.B. Bahn mit EBO; Bus; MIV/Straßen; Radwege) eine Projektskizze erstellen.

Entscheidungsgrundlage:

In die Kostenübersicht der Projektskizze den Kriterien-Erfüllungsgrad der LEICHTBAHN-Alternativen einbeziehen.

Karl Dilly, Schermbeck

 

 

 

 

 

Beeindruckende Visionen, die sich von Herrn Dilly´s Konzept ableiten lassen. Was hindert uns bzw. die Entscheider daran, ein solches Konzept „in die Tat umzusetzen“? Die vermeintliche Tatsache, das wir ja schon seit vielen Jahren ohne Bahnverbindung auskommen? Fehlende Aussicht auf Gewinn? Stellen wir die Frage doch mal aus anderer – ganzheitlicher – Perspektive: Welchen Gewinn erzielen wir, wenn wir´s einfach mal tun? Ein tragfähiges Konzept besteht! Setzen wir uns als Ziel mal nicht den „monetären Wert“ in „tiefschwarzen“ Zahlen, sondern ganz profan die „Zufriedenheit“ spürbar in real höherer Lebensqualität. Das Ziel aus einem Bündel jeweils für sich positiver Ergebnisse erkennen! Mag sein, das wir um das zu erkennen, mal „hier und da“ die Perspektive ändern müssen. Aber ich glaube, das ist es wert! Dazu brauchen wir Wertevorstellungen als Gründe für unser Handeln, Willen, Mut,…! Das Bewusstsein, das Probleme, die sich in der Umsetzung ergeben können, dann gelöst werden sobald sie auftreten. Ein Projekt nicht zu beginnen, weil Hindernisse entstehen könnten bzw. nicht vorhersehbar sind, wäre töricht. Dem entgegen wünsche ich mir den Mut, den ich letztlich von jedem UnternehmerIn/Unternehmen erwarte: die ihm/ihr gestellten Aufgaben bzw. Aufträge zu erfüllen! Entscheidend ist das (End-)Ergebnis – darauf kommt es an! Sozusagen den „Lösungsweg“ ins Ergebnis mit einbeziehen. Wenn´s einen Umweg braucht – was soll´s? Es lohnt sich, weil sich die Folgen unserer Anstrengung lohnen: Zu jeder Jahreszeit von jedem nutzbare Mobilität, um sein Leben freier gestalten zu können. Soziale Mobilität eben.

Besten Gruß aus Daun

Wolfgang Blick

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